Herr Kimpel, aus Ihrer Erfahrung heraus: Was ist die ideale Verweildauer in einer Position?
René Kimpel
Recruiting Lead Germany DIS AG Finance, Office & Management und IT
Die Arbeitswelt steckt heute voller Optionen. Das kann auf Menschen manchmal auch überfordernd wirken – gerade am Anfang der eigenen Berufslaufbahn. Darum schadet es nicht, sich gerade am Anfang der Karriere auch ein bisschen „auszutoben“ und verschiedene Stationen auszuprobieren. So kann man für sich herausfinden: Macht mir diese Art Arbeit Spaß? Passt die Unternehmenskultur zu mir? So muss nicht, aber es kann am Anfang auch ruhig häufiger gewechselt werden – ein bis zwei Jahre Unternehmenszugehörigkeit sollte es aber idealerweise schon sein. So sammelt eine Person Erfahrung und kann sich schnell weiterentwickeln. Auch Arbeitnehmerüberlassung kann ein hochattraktives Modell für die Gen Z sein: Es gibt einen unbefristeten Vertrag beim Personaldienstleister, der die Person dann über Zeiträume von jeweils bis zu 18 Monaten bei verschiedenen Kundenunternehmen einsetzt – so lernen Zeitarbeitnehmende über die Form von Projektarbeit innerhalb kurzer Zeit viel kennen und sind dabei vertraglich und gehaltlich abgesichert. Viele Kundenunternehmen übernehmen geeignete Kandidat:innen, die selbst auch möchten, aber schon vorher in eine Festanstellung.
Für Kandidat:innen, die zum Beispiel früh in eine Familienplanung starten wollen, mag aber auch ein eher konservativer Weg geeignet sein, das heißt, früh die längerfristige Sicherheit eines Unternehmens zu suchen und dort, zum Beispiel nach der Ausbildung, sich über die folgenden Jahre weiterzuentwickeln.
Was sehen die Arbeitgeber:innen, mit denen Sie arbeiten, als Mindestzeit, die in einem Unternehmen verbracht werden soll, ohne dass es negativ wirkt?
Das kommt natürlich grundsätzlich auf die Position an und auf die Häufigkeit des Wechsels. Wenn bei einer 20-jährigen Berufslaufbahn auch ein, zwei Stationen von einem Jahr dabei sind, ist das kein Beinbruch. Es ist durchaus normal, dass es mal nicht passt und dann ist es auch in Ordnung, die Reißleine zu ziehen. Wenn die letzten fünf Stationen nur sehr kurz waren, wird ein Recruiter genauer nachfragen. Dann kommt es darauf an, die Wechsel sehr gut begründen zu können.
Grundsätzlich hängt die Frage aber auch etwas von der Art des Unternehmens ab: Traditionellere Unternehmen, vor allem im Mittelstand, pflegen mitunter ein anderes Wertekonstrukt als ein junges Tech-Unternehmen. Wo der Mittelständler eher eine längere Zugehörigkeit schätzt, kann das für letzteres vielleicht sogar ein K.O.-Kriterium sein.
Gibt es eine Zeit, ab der hinterfragt wird, warum ein Mitarbeitender zu lange in dem gleichen Unternehmen ist?
Es gibt Unternehmen, die erkennen, dass sie an ihrer Unternehmenskultur arbeiten müssen oder neue Arbeitsweisen einführen wollen, um weiter zukunftsfähig zu bleiben. In solchen Situationen kommt es vor, dass die Unternehmensleitung insbesondere zunächst auf ihre Führungskräfte schaut und hinterfragt, ob vor allem diejenigen, die bereits sehr lange im Unternehmen sind, noch die notwendige Veränderungsbereitschaft mitbringen, um den Wandel auch gut begleiten zu können. Es geht hier aber weniger um „zu lange“, sondern eher um die Frage, ob eine Person auch nach 20 Jahren Unternehmenszugehörigkeit noch bereit ist, Neues zu lernen, Gewohnheiten zu verändern oder die eigene Rolle neu zu definieren. Dem kann aber durch interne Mobilität abgeholfen werden, also durch Versetzen eines Mitarbeitenden in andere Positionen oder Abteilungen.
Viele Unternehmen schätzen aber auch eine langjährige Zugehörigkeit, weil es als ein Zeichen von Loyalität angesehen wird. Auch hier gibt es Ausnahmen: Wer direkt nach dem Studium zehn Jahre im gleichen Unternehmen gearbeitet hat und sich dann bei einem Start-Up bewirbt, hat zum Beispiel oft schlechtere Karten – da die Person sich so vermeintlich weniger agil zeigt.
Unter welchen Umständen sind Arbeitgeber:innen eher gewillt, über viele schnelle Wechsel hinwegzusehen?
Das gilt vor allem bei Unternehmen, die bereits heute den Arbeitskräftemangel stark spüren. Das können Unternehmen in Branchen mit Mangelberufen wie Pflege, IT oder Handwerk sein, oder Unternehmen in schwierigen geographischen Lagen. Wenn der Arbeitsmarkt leergefegt ist, sehen Arbeitgeber:innen eher darüber hinweg, wie oft und warum in der Vergangenheit gewechselt wurde, wenn die Qualifikation ansonsten stimmt. Wer zu anspruchsvolle oder zu eingeschränkte Kriterien an Lebensläufe anlegt, findet im Zweifel nur noch sehr schwer neue Mitarbeiter:innen. Wir raten Unternehmen, sich persönlich mit einem solchen Kandidat:innen auszutauschen – wer die Genz Z dauerhaft im Unternehmen halten möchte, schafft dies am besten mit Gesprächen und einer Zusammenarbeit auf Augenhöhe.
Was sind Ihren Beobachtungen zufolge die größten Unterschiede zwischen dem Wechselmarkt vor 20 Jahren im Vergleich zu heute?
Zwischen 1997 und 2006 war die Arbeitslosenzahl mit mehr als vier Millionen Menschen und mehr als 10 Prozent Quote auf dem höchsten Stand seit Kriegsende. Die Angst vor Arbeitslosigkeit hat weite Teile der Bevölkerung und der Medien beschäftigt. Heute liegt die Arbeitslosenzahl bei rund 2,5 Millionen und es setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass der demografische Wandel Deutschland zunehmend zu einem Arbeitnehmermarkt macht. Das heißt vor allem: Unternehmen brauchen länger, um offene Stellen neu zu besetzen. Arbeitnehmer wiederum gehen selbstbewusster in Gespräche und können mehr Forderungen stellen (und tun dies zunehmend auch, insbesondere in Bezug auf Arbeitszeiten, Arbeitsort, Freizeit und Zeitplanung). In einer unserer eigenen internationalen Studien haben wir festgestellt, dass die gefühlte Arbeitsplatzsicherheit von 2021 bis 2022 um ganze 11 Prozent gestiegen ist. 70 Prozent der von uns befragten Deutschen glaubten 2022, dass sie innerhalb der nächsten sechs Monate auf jeden Fall einen neuen Job finden würden.
Durch Digitalisierung und Automatisierung ist der Bewerbungsprozess sehr viel schneller und einfacher geworden. Mit wenigen Klicks ist die Bewerbung abgeschickt, und Bewerbungsgespräche können von unterwegs geführt werden. Umgekehrt bedeutet das für Unternehmen, dass Mitarbeitende sich durch die geringen Hürden heute auch sehr viel einfacher wegbewerben können, wenn ihm oder ihr der Job nicht gefällt.
Was sind aus Ihrer Sicht die häufigsten Wechselgründe bei Menschen unter 40?
Wir wissen aus unseren eigenen Studien, dass das Gehalt nach wie vor der Hauptgrund ist, warum Menschen den Job wechseln. Aber: Ein gutes Gehalt zieht zwar an, bindet jedoch nicht. Weitere Top-Faktoren, warum Menschen wechseln, sind Aussichten auf eine bessere Work-Life-Balance, auf bessere Karrierewege bzw. Weiterbildungen sowie mehr Flexibilität (vor allem Arbeitszeiten oder Remote-Arbeit). Bei Menschen unter 40 sind aber auch sich verändernde Lebensmodelle ein Faktor, schließlich ist das die Zeit, in der viele Menschen eine eigene Familie gründen und sich hierdurch Perspektiven und das Bedürfnis nach passenden Arbeitsmodellen verändern können. Flexibilität ist hier ein besonders wichtiger Faktor. Anders als früher legen sich Menschen heute nicht mehr auf ein bestimmtes Arbeits- und Lebensmodell fest, sondern verändern dieses je nach Lebensphase.
 
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